Keine Gemeinschaft kommt ohne Regeln aus. Eine Genossenschaft wie die unsrige hat eine Satzung, die etliche davon enthält. Wenn wir diese nicht einhalten, gibt es Rügen vom Verband, der uns einmal im Jahr prüft. Es gibt also eine Institution, die für die Kontrolle zuständig ist.
Aber von diesen Regeln soll hier nicht die Rede sein. Sondern von jenen, die das tägliche Miteinander betreffen, die Abläufe, die gemeinsamen Aktivitäten, das Verhalten gegenüber anderen. Die meisten davon sind nirgendwo festgehalten, oder wenn, dann schlummern sie in einem der unzähligen Protokolle von Gruppensitzungen der letzten 10 Jahre.
Ich erinnere mich zum Beispiel an den Versuch, die Nutzung von Gemeinschaftsflächen zu regeln. Es ging darum festzulegen, was auf die freien Flächen vor den Haustüren abgestellt werden darf und was nicht. Das Ergebnis einer längeren Diskussion gilt heute noch, auch wenn sich vermutlich die wenigsten an die damals aufgestellten Regeln erinnern werden.
So ist das mitunter: Es gibt Regeln, die werden einfach befolgt, weil sie verinnerlicht wurden. Andere werden ab dem Moment ignoriert, in dem sie aufgestellt werden. Aber was ist überhaupt eine Regel?
Kürzlich habe ich zu diesem Thema einen Workshop in einem Projekt moderiert, bei dem wir zu recht interessanten Erkenntnissen kamen:
- Regeln sind konkrete Vorgaben mit klaren Wenn-Dann-Strukturen, zum Beispiel: „Beim Schach zieht der Läufer diagonal.“ Im Fall der Anwendung einer Regel sind die Konsequenzen klar: „Alle anderen Züge sind ungültig.“ Und es gibt jemanden, der die Einhaltung überwacht bzw. für die Anwendung der Regeln sorgt.
- Prinzipien sind grundsätzliche Aussagen oder Werte. Zum Beispiel: „Wir reduzieren Verpackungsmaterial auf ein Minimum!“ oder: „Wir teilen unser Wissen und halten keine Informationen zurück.“ Prinzipien lassen Interpretationsspielraum und dienen als Rahmen für Entscheidungen.
- Empfehlungen sind Regeln, deren Einhaltung nicht eindeutig überprüft werden kann, deren Nicht-Befolgung auch keine direkten Konsequenzen hat. Die aber deutlich machen, welches Verhalten erwünscht ist. Zum Beispiel: „Wenn wir jemanden dabei beobachten, dass er/sie umweltschädliches Verhalten zeigt, sprechen wir ihn höflich an.“
- Handlungsanleitungen / Gebrauchsanweisungen: Sie sind eine Art operationalisierte Regeln / Prinzipien / Empfehlungen und beschreiben konkrete Schritte, wie etwas umzusetzen ist.
Was allen klar wurde: Die Übergänge sind fließend. Aber ebenso deutlich wurde, dass die Unterscheidung sehr hilfreich war. Im weiteren Verlauf nahm sich die Gruppe die bisher aufgestellten Regeln vor und diskutierte zunächst, um was es sich bei der jeweiligen Formulierung eigentlich handelte. Im zweiten Schritte wurde überlegt, ob man die jeweilige "Regel" beibehalten, neu formulieren oder einfach abschaffen wollte.
Ein sehr spannender Workshop.

