No-Shows

Den Begriff hatte ich noch nicht gehört, aber nun weiß ich, worum es geht. Man - in diesem Fall unsere Wohngruppe - bietet eine Veranstaltung an. Genauer: Ein Info-Café, wo wir bei Kaffee und Kuchen über unser Projekt erzählen, interessierten Menschen alle Fragen beantworten und sie gerne durch das Haus, den Garten, die Gemeinschaftsräume und über die Laubengänge führen.

Im Vorfeld bitten wir unsere Mitglieder um Kuchenspenden, suchen Leute, die den Raum vorbereiten, die Kaffeemaschine starten und nachher wieder alles aufräumen. Im Vorfeld bitten wir auch alle, die sich anmelden, uns Bescheid zu geben, wenn sie verhindert sind. Wir begrenzen die Zahl der Gäste immer auf ca. 20, um ein lockeres Gespräch zu ermöglichen und gemütlich an Tischen zu sitzen. Da wir häufig auch mehr Anmeldungen haben, lassen wir dann bei Absagen weitere Interessenten nachrücken.

Zumindest war das bisher der Plan. Inzwischen haben wir die Erfahrung gemacht, dass wir uns das komplizierte Verfahren ersparen können. Egal, wie vielen wir zusagen - es kommt maximal die Hälfte der angekündigten Gäste. Selbst wenn wir noch einmal an den Termin erinnern und die Menschen dann versichern, dass sie kommen - Verbindlichkeit sieht anders aus. Wir überlegen, in Zukunft einen Kostenbeitrag zu erheben.

Offenbar üblich

Machen wir irgendwas falsch? Müssten wir die Menschen mehrfach an den Termin erinnern? An Werte wie Zuverlässigkeit oder Vertrauen appellieren? Oder ist es der Lauf der Dinge: Man meldet sich zu einem Event an, der kostenlos und damit von geringem Wert ist. Vielleicht trägt man ihn sich sogar in seinen Kalender ein - aber vermutlich mit Fragezeichen. Und dann passt es irgendwie doch nicht, war vielleicht nur so eine Idee. Oder etwas anderes kommt dazwischen. Wer weiß. Auf jeden Fall erscheint man einfach nicht. No-Shows nennt sich das. Nichterscheinen.

Mir ist das Phänomen nicht unbekannt. Bei den MWonline-Webtalks haben wir mitunter weit über 100 Anmeldungen - tatsächlich anwesend sind dann erstaunlich zuverlässig 50%. Eine Art Naturgesetz. Muss man das hinnehmen?


Spaziergang in Alt-Müngersdorf


Der Verein STADTRAUM 5und4 lädt in unregelmäßigen Abständen zu Spaziergängen durch neue Baugebiete in Köln ein. Am vergangenen Sonntag war ich dabei - ein sehr interessanter Gang durch Müngersdorf. Der Schwerpunkt lag auf dem ehemalige Industriegelände zwischen Eupener und Herbesthaler Straße in Braunsfeld, das Anfang der 2000er Jahre deindustrialisiert wurde. Entstanden ist hier ein völlig neues, gehobenes Wohnquartier mit insgesamt 450 Wohneinheiten: Das Quartier "Park Linné" auf dem ehemaligen Sidol-Gelände.

Wer sich für Wohnen nach Gemeinwohl-Prinzipien begeistern kann, wird hier eher abgeschreckt. Winzige private Gärten, zum Teil hohe, abweisende Mauern und eiserne Tore, die den Zugang zu den Arealen versperren. Man wird an die "Gated Communities" erinnert - das ziemliche Gegenteil von nachbarschaftlichem Wohnen. 

Foto: Petershof

Der Spaziergang endete im "alten“ Müngersdorf in der Nähe der Kirche St. Vitalis, und zwar im Petershof, den Gewinner:innen der ersten auf Gemeinwohl ausgerichteten Konzept-Vergabe in Köln. Das, was die Menschen dort auf die Beine stellen und noch vorhaben, hat mich schwer beeindruckt. Die alte Hofanlage, die unter Denkmalschutz steht und in der Tat ein besonderes Flair hat, wird jetzt schon genutzt, um den Menschen im Ort einen Raum für Gemeinschaft zu bieten - mit Festen, Konzerten und Lesungen. Der Weg zum eigentlichen Ziel, Wohnen und Leben in nachbarschaftlichem Miteinander, ist noch weit, aber der Optimismus und die Begeisterung waren ansteckend. Danke für den schönen Nachmittag.

Gegen den Hass

Manchmal spucken die sozialen Medien dann doch etwas Wertvolles aus. In diesem Fall ist die Rede von einem Podcast mit Namen "180-Grad: Geschichten gegen den Hass".  Unbedingt zu empfehlen, und noch ein Tipp: Auch wenn nur die Folge 6 von nachbarschaftlichem Wohnen handelt, so sollte man sich doch alle Folgen anhören, am besten nacheinander und bei Folge 1 anfangen.

Ich habe den Tipp in unserer Wohngruppe (und noch unter ganz vielen anderen Menschen) verteilt und angekündigt, einen Diskussionsabend zu den Geschichten zu organisieren. Und tatsächlich hat dieser Abend stattgefunden, mit relativ viel Rotwein, Kürbisuppe und selbst gebackenem Brot. Wir waren eine kleine Gruppe, und wir erlebten - nicht zum ersten Mal - die eine oder andere Überraschung. 

Aber erst einmal zum Podcast. Es geht darin um Menschen, die sich hassen. Oder zumindest große Vorurteile gegeneinander oder gegen bestimmte Gruppen hegen und pflegen. Da ist von Flüchtlingen, Islamisten, Roma, Nazis, Punks, "Kanacken", Schwulen und anderen die Rede, und das Besondere: In allen Geschichten treffen sie aufeinander. Mehr noch: Sie werden praktisch gezwungen, zumindest einen Teil ihres Lebens miteinander zu verbringen, aus den unterschiedlichsten Gründen. 

Der Autor und Erzähler Bastian Berbner (der auch ein gleichnamiges Buch mit weiteren Geschichten veröffentlich hat) hat diese Menschen getroffen und erzählt in dem Podcast einer Kollegin, welche Erfahrungen sie gemacht haben. 

All das ist zum einen sehr unterhaltsam. Es ist aber auch erschütternd, auf jeden Fall sehr berührend und macht doch arg nachdenklich. Die meisten von uns dürften in einer Umgebung leben, in der unsere Mitmenschen Werte und Ansichten mit uns weitestgehend teilen, und da macht auch ein Wohnprojekt keine Ausnahme. Was passiert, wenn wir plötzlich - freiwillig oder gezwungen - Menschen mit ganz anderem Hintergrund, anderen Einstellungen und Werten tagtäglich begegnen, ihnen nicht ausweichen können, uns mit ihnen arrangieren müssen?

Die Geschichten in dem Podcast zeigen, dass dann etwas mit uns geschieht - ganz automatisch. Auf jeden Fall bereichert es unser Leben, verändert unsere Sicht auf die Dinge und die Gesellschaft. Manchmal nachhaltig, manchmal auch nur selektiv. Wie gesagt: Unbedingt anhören oder lesen.

Zu unserem Abend: Wie so oft bei NaWoDo haben wir mit einer kleinen Befindlichkeitsrunde begonnen, uns vom Tag erzählt, was uns beschäftigt hat. Eine schöne Möglichkeit, Ballast abzuwerfen, loszulassen, um den Kopf frei zu bekommen. 

Wir haben zusammen gegessen und getrunken (beides spielt auch in den Geschichten von Bastian Berbner eine große Rolle). Und als wir anfingen, unsere Gedanken über das Gehörte auszutauschen, haben wir sehr persönliche Dinge voneinander erfahren. Es ist genau das passiert, was in der Kernbotschaft des Podcasts zum Ausdruck kommt: Nähe führt zu Verbundenheit, zu Vertrauen und Offenheit. Eine schöne Erfahrung.

Vom Problem zur Lösung

Kürzlich arbeitete ich mit einer großen Gruppe, die noch nicht lange in ihrem wunderschönen Haus lebte und erste Erfahrungen mit dem gemeinschaftlichen Wohnen hinter sich hatte. Wie nicht anders zu erwarten, hatten sich inzwischen so einige Themen angesammelt, die für Verunsicherung, zum Teil Unmut, aber auch Ärger sorgten. Wie das so ist, wenn die Idealvorstellung vom Wohnen im Projekt auf den Alltag trifft.

Die Gruppe hatte etliche Themen gesammelt, die an diesem Wochenende bearbeitet werden sollten. Wir begannen mit einem Problem, das besonders dazu angetan war, stärkere Emotionen auszulösen. Und bei dem ebenso klar war, dass es nicht die eine und ultimative Lösung geben konnte. Wir wählten als Format die Fishbowl. Dabei diskutiert eine kleinere Gruppe (hier saßen die Mitglieder, die von dem Problem besonders betroffen waren) im Innenkreis, während der Rest der Teilnehmer in einem größeren Stuhlkreis außen herum sitzt und zuhört.

Die Struktur war wie folgt: Zuerst sammelten wir die unterschiedlichen Sichtweisen auf das Problem, die Frage lautete: Worum geht es genau? Als Moderator sorgte ich dafür, dass alle Äußerungen festgehalten wurden, ohne große Sortierung, einfach herunter geschrieben und per Beamer für alle sichtbar auf der großen Leinwand. Ich halte diesen Schritt für wichtig, auch wenn er relativ viel Raum einnahm und möglicherweise die Gefahr bestand, zu sehr der Problemsicht zu verfallen. Nachdem alle Aspekte des Problems auf dem Tisch lagen bzw. auf der Leinwand zu sehen waren, bekamen die Teilnehmer im Außenkreis die Möglichkeit, weitere Aspekte zu ergänzen. Wie so oft wiederholten sich dabei natürlich einige Ansichten, hier halt hin und wieder die Frage, ob sich das Gesagte mit dem deckte, was bereits zuvor festgehalten wurde.

In Schritt 2 wurde der Blick auf die Zukunft gelenkt - wobei es immer noch nicht um Lösungen ging. Die Frage lautete: "Was wünscht Ihr euch stattdessen?" Die Sätze begannen alle mit: "Ich wünsche mir, dass..." Auch dieser Schritt erwies sich als extrem wertvoll. Weil er deutlich machte, welche Bedürfnisse hinter den Klagen und Sorgen steckten. Und auch diese Sätze wurden alle notiert. Hin und wieder kamen Einwände gegen einzelne Wünsche auf, nach dem Motto: "Das ist doch unrealistisch!" Dann half der Hinweis, dass wir uns gerade ich der Runde "Wünsch dir was!" befanden und bekanntlich Wünsche nicht immer erfüllt werden (können).

Dieser zweite Teil ging deutlich schneller und veränderte schon die Atmosphäre. Es folgte Schritt 3: Nun ging es um konkrete Lösungsvorschläge. Und siehe da: Etliche lagen quasi schon bereit, sie steckten in der Kombination aus Problembenennung und Wunsch. Im Nu waren eine ganze Reihe von praktischen Vorschlägen und einfachen Regeln formuliert, auf die sich die Teilnehmer im Innen- und anschließend im Außenkreis einigten. Man spürte geradezu die Erleichterung, so wie man zuvor die Ungeduld spüren konnte, dass man doch endlich zu konkreten Lösungen kommen sollte.

Es folgte Schritt 4 - nämlich die Frage, ob jemand im Raum gegen eine der vorgeschlagenen Maßnahmen noch schwerwiegende Bedenken hatte. Hier galt es auszuhalten, dass es tatsächlich noch Skepsis gegenüber dem einen oder anderen Punkt gab und wir noch einmal überlegen mussten, was helfen konnte, die Bedenken aufzulösen.

Am zweiten Tag bearbeitete die Gruppe auch die weiteren Themen, dazu konnte sich jeder für das Thema melden, das ihm besonders am Herzen lag. Dabei gingen die Gruppen nach dem oben beschriebenen Ablauf vor, und sogar für mich überraschend schafften es (fast) alle Gruppen, die vier Schritte zu bearbeiten und Lösungen zu finden. Klar, dass die eine oder andere Idee im Nachgang zu diesem Wochenende noch weiter ausgearbeitet werden muss. Aber wir sind sehr weit gekommen, und es hat sich bezahlt gemacht, mit einem klar strukturierten Ablauf einen Rahmen vorzugeben, der, so vermute ich, der Gruppe auch in zukünftigen Diskussionen sehr nützlich sein wird.


Platz für Kinder

Wer ein Mehrfamilienhaus errichtet, sollte damit rechnen, dass er einen Kinderspielplatz einplanen muss. Das hängt wohl von den jeweiligen Landesgesetzen ab bzw. von den Vorschriften in einer Kommune. Bei uns war es auf jeden Fall so, und es hieß auch, dass wir eine bestimmte Anzahl an Spielgeräten aufstellen müssen. 

Wir staunen immer wieder, wenn wir in der Umgebung auf dem Gelände von Mehrfamilienhäusern eines dieser kleinen Schaukelgeräte stehen sehen - Ihr wisst, was ich meine. Diese schlichten Sitze auf Federn, mit denen man maximal hin und her wippen kann. Keine Ahnung, ob das der Erfüllung dieser oben genannten Vorgaben dient.

Bei uns wurde die Frage in der Bauphase heiß diskutiert. Wir wollten unseren Kleinsten natürlich einen Sandkasten bieten, und den möglichst nicht im Miniaturformat, sondern so groß, dass man darin wirklich buddeln kann. Sodann hatte jemand die Möglichkeit, an eine Schaukel zu kommen, da waren auch die Großen begeistert, von denen so manch einer immer noch gerne schaukelt. 

Beides haben wir heute, dazu noch, auch ein Spielzeug vor allem für Erwachsene, eine Art Wasserlauf, bei dem Wasser aus unserem Brunnen einen ausgehöhlten Baumstamm hinunterläuft, wenn man den Druckknopf am oberen Ende betätigt. 

Allerdings verblassen all die "Geräte" vor dem Hintergrund des einzig wahren Angebots: Es gibt einen Hügel, der in der Bauphase entstand und von dem wir sofort wussten, dass er bleiben sollte. Dieser Hügel verändert seine Form regelmäßig. Unsere Kinder graben Löcher hinein, beharken ihn mit ihren Gartengeräten, stürmen hinauf, rollen sich herunter, verstecken sich hinter ihm oder sitzen einfach nur auf dem Gipfel und schauen in die Landschaft. Wenn uns heute jemand nach dem besten Spielgerät für einen Spielplatz fragt, so lautet die Antwort: Ein Hügel aus Erde.