Wohnungsnot?

In Deutschland wird zu wenig gebaut, liest man inzwischen immer häufiger. Es fehlt an Wohnraum, und der vorhandene wird teurer und teurer. Wenn ich mich in dem Neubaugebiet umschaue, in dem unser Wohnprojekt steht, dann frage ich mich, ob wir nicht - so wie auch beim Thema "Mobilität" - den falschen Weg einschlagen bzw. einen einmal eingeschlagenen Weg immer weiter beschreiten, obwohl offensichtlich ist, dass er eine Sackgasse darstellt.

In dem Neubaugebiet sind über 100 Einfamilienhäuser enstanden: Alleinstehende, sowohl prächtige Bauten, eher einfache Gebäude als auch Bungalows, Doppelhaushälften, zum Teil im identischen Stil, zum Teil völlig unterschiedlich, und etliche Reihenhäuser, von einem Investor errichtet und einzeln verkauft. Noch führen reine Baustraßen hindurch, aber schon jetzt kann man erkennen, wie es einmal hier aussehen wird. Fast alle Grundstücke, die allesamt eine ziemlich überschaubare Größe haben, sind von hohen Zäunen umgeben, einige davon mit undurchsichter Kunststoffverkleidung umgeben. Einige Grundstücksgrenzen weisen die ersten Hecken auf. Und überall wurden Stellplätze für Autos errichtet - oft zustätzlich zur Garage.

Die meisten Gärten wurden mit Rollrasen versehen, auf etlichen steht das obligatorische Trampolin, mitunter dazu noch eine Kinderschaukel. Da bleibt noch Platz für eine Gartenhütte und eine mehr oder weniger ausladende Terrasse.

Was daran so bemerkenswert ist oder gar eine Sackgasse? Man stelle sich vor, alle diese Grundstücke wären miteinander verbunden. Es gäbe EIN großes Trampolin, EINEN schönen Pool, EINE große Gartenhütte, Schaukeln, kleine Tore und weitere Dinge, die junge Familien so schätzen. Solche miteinander verbundenen Gärten habe ich schon gesehen, und es hat funktioniert. Warum also muss jeder seinen Grund und Boden so einzäunen und beschützen? Vor wem eigentlich? Und welchen Sinn ergibt es, wenn jeder seine eigene Schaukel, sein eigenes Trampolin hat, auf dem nur das eigene Kind herumspringt? Warum benötigen 100 Haushalte 100 Rasenmäher, Kantenschneider, Laubbläser, Rasensprenger...?

Ich weiß, genau so haben wir es jahrzehntelang vorgelebt bekommen. Und davon schließe ich mich nicht aus. Auch für mich war es eine Selbstverständlichkeit, eines Tages meine eigenen vier Wände zu besitzen, mit möglichst großem Garten, den ich so gestalten konnte, wie es mir passte. Wie oft habe ich in demselben gestanden, bedauert, dass mir die Zeit fehlte, ihn tatsächlich so zu pflegen und zu modellieren, wie ich es in all den schönen Gartenbüchern gesehen hatte. Und wenn mir dann ein Beet genau so gelungen war, wie ich mir das ausgemalt hatte, war da oft der Gedanke: Eigentlich ist das viel zu schön, als dass nur meine Familie und ich das genießen können.

Ich möchte nicht falsch verstanden werden: Ich gönne jedem sein kleines Paradies. Eben weil ich all das genauso selbst als junger Mann angestrebt und umgesetzt habe. Aber wenn ich jetzt die jungen Famlien sehe, die in unserem Projekt wohnen, wie ihre kleinen Kinder Spaß auf dem noch sehr rudimentären Spielplatz mit dem Sand und dem Kieselsteinhaufen haben; wie die jungen Väter mit Feuereifer die Außenanlage planen, Steine schleppen, Kompostkisten zusammen schustern und Hochbeete planen, und alle um die werdenden Rasenflächen herumstehen und sich freuen, dass es langsam um uns herum grün wird, dann bin ich mir ziemlich sicher, dass hier eine wunderbare Alternative zu den kleinen Burgen und Schlössern um uns herum entstanden ist. Und dass solche Projekte EINE mögliche Antwort auf das Problem des Wohnungsmangels darstellen...