Corona

Es sind schwere Zeiten, keine Frage. Corona verunsichert, macht Angst, spaltet die Gesellschaft, Freundschaften und sogar Familien. Viele Menschen, die allein leben und kaum Verbindungen zu Nachbarn und Bekannten haben, suchen und finden normalerweise den sozialen Kontakt außerhalb ihres nachbarschaftlichen Umfeldes, zum Beispiel in Cafés, beim Arztbesuch, beim Einkaufen um die Ecke, in der Stammkneipe, beim Bäcker auf eine Tasse Kaffee im Stehen. Aber Corona macht all das zunichte. 

Sind Wohnprojekte ähnlich davon betroffen? Rückmeldungen aus vielen solcher Gemeinschaften lassen anderes vermuten. Ich kann von unserer Gruppe berichten, dass wir sehr intensiv zu Beginn der Pandemie diskutiert haben, wie wir uns verhalten wollen, ob es jenseits der offiziellen Regeln Vereinbarungen geben muss, z.B. wie viele Menschen gleichzeitig sich im Garten aufhalten dürfen, ob wir uns auf den Laubengängen und in der Tiefgarage mit Schutzmasken begegnen sollen, wie wir unsere Mitgliederversammlung durchführen können und vieles mehr. 

Es gab die sehr Vorsichtigen unter uns, die sich freiwillig nahezu ganz in ihre Wohnungen zurückgezogen haben. Andere hielten die Vorsicht für übertrieben und plädierten dafür, dass sich die Kinder im Garten tummeln dürfen. Am Ende fanden wir Lösungen wie zum Beispiel feste Hofzeiten für Kleingruppen von je zwei Familien. Schon witzig, dass kleine Kinder plötzlich voller Begeisterung Punkt 15.00 Uhr in den Garten rennen und laut verkünden, dass sie jetzt "Hofzeit" haben. 

Die Älteren unter uns sagten zu, Abstand zu halten und den Kindern nicht zu nah zu kommen, was mitunter sehr schwer fiel. Unser wöchentliches Abendessen entfiel komplett, unsere Arbeitsgruppen trafen sich nur noch über Videokonferenzen, selbst unsere Generalversammlung fand im virtuellen Raum statt, die Stimmen zur Vorstandswahl wurden mit Schutzmaske im Gemeinschaftsraum abgegeben, der immer nur allein betreten werden durfte, mit festgelegtem Ein- und Ausgang. 

Trotz all dieser Vereinbarungen und Maßnahmen gab es aber auch Situationen, in denen wir unvorsichtig agierten. Wir wollten den Bau unseres Gartenschuppens feiern, auch hier starteten wir mit Masken, alles fand im Freien statt. Das mit dem Abstand aber war schwierig, und die Hinweise darauf wurden nicht immer befolgt. 

Corona hat uns und unsere Gruppe auf eine Probe gestellt und tut es immer noch. Wir haben gelernt, unsere Sorgen offen auszusprechen und uns gegenseitig darauf hinzuweisen, wenn wir mit dem Verhalten des anderen nicht einverstanden sind. Mein Eindruck ist, dass diese Krise uns ein Stück toleranter gemacht hat, aber auch klarer im Umgang miteinander.

Auf jeden Fall aber hat sie gezeigt, welch unschätzbaren Vorteil es mit sich bringt, in einer solchen Gemeinschaft zu leben. Wie oft hat jemand in die Gruppe gefragt, dass ihm etwas fehlt und ob jemand beim nächsten Einkauf ihm dies mitbringen könnte. Zum Beispiel, als eine Familie tatsächlich in Quarantäne musste. Was für ein Glück für Eltern, die in Kleingruppen sich gegenseitig vertreten konnten, als Schulen und Kindergärten geschlossen waren. Welch unfassbarer Segen, ein so großes Grundstück gemeinsam zur Verfügung zu haben, auf dem man sich in diesem Sommer bewegen, begegnen, austauschen konnte, ohne sich zu nah zu kommen. Wie oft standen Nachbarn in sicherem Abstand vor den Terrassen der anderen und plauderten miteinander. Oder reichten sich Dinge von den Balkonen herab zu. Wir haben sogar auf den Balkonen gemeinsam gesungen, was vermutlich keine Konzertqualität hatte. Und wie viele Spaziergänge gab es, wo zwei Nachbarn an der frischen Luft ob mit oder ohne Hund zusammen über die Felder gelaufen sind?

Ein Satz, der immer wieder fiel: "Wenn ich mir vorstelle, ich würde noch in meiner alten Wohnung leben..." Um die Frage von oben zu beantworten: Ja, auch ein Wohnprojekt ist massiv betroffen von der Corona-Krise, aber allein die Möglichkeit, die Konsequenzen daraus gemeinsam zu tragen und mit anderen zu teilen, macht es viel leichter.