Intelligenz der Gruppe

Kürzlich wieder erlebt. Ich moderiere das Treffen einer größeren Gruppe, die mir vorab einige Themen genannt hatte. Dabei äußerten sich die Vertreter der Gruppe besorgt, dass es vor allem bei einem Thema sehr schwierig werden würde, eine Lösung zu finden. Zu unterschiedlich seien die Auffassungen einiger Mitglieder, und gleichzeitig sei es für den weiteren Prozess eminent wichtig, eine Lösung zu finden. 

So wie mir das Problem beschrieben wurde, erschien es auch mir alles andere als trivial. Ich hatte eine Idee zum Vorgehen, die ich auch dem Vorbereitungsteam vorschlug. "Machbar", lautete die Reaktion, aber das würde, so wie man die Gruppe bisher erlebt hätte, nicht zur Lösung führen. Die Skepsis war groß. 

Und tatsächlich verlief die Diskussion schleppend, für alle Beteiligten anstrengend. Ich ließ mich nicht beirren und blieb bei meinem Fahrplan, der immerhin dazu führte, dass am Ende der Diskussion die verschiedenen Ansichten transparent waren. Es gab keine offenen Fragen mehr, die Voraussetzungen für eine Entscheidung waren geklärt. Aber die Lösung schien noch weit. 

Wir hatten den Ablauf so geplant, dass zu diesem Zeitpunkt eine längere Pause vorgesehen war. Und ich hatte in meinem Kopf eine Lösung parat, aber hielt mich bewusst zurück. Zu oft habe ich erlebt, dass man als Berater zwar geholt wird, um Lösungen zu erarbeiten, aber die von außen eingebrachten Vorschäge keineswegs immer die zur Gruppe passenden sind. 

In der Pause geschah genau das, was ich ich als nächstes vorgeschlagen hätte. Man diskutierte untereinander, ohne Moderator, ohne Fahrplan, ohne vorgegebene Methodik. Und als sich die ganze Gruppe wieder traf, präsentierten einige Mitglieder die Lösung. Zwar mussten anschließend noch einige Bedenken ausgeräumt werden, aber das Ergebnis stand fest. Dass es genau die Lösung war, die mir vorgeschwebt hatte, ist nicht das Entscheidende. Es hätte jede andere sein können, Hauptsache, sie kam aus der Gruppe selbst. Diese findet in der Regel die Lösung, die für sie am besten ist.

Ich bezeichne dieses Phänomen gerne als "Intelligenz der Gruppe", in die man als Moderator grenzenloses Vertrauen haben sollte. Das ist nicht immer leicht, aber die Voraussetzung, um geduldig zu bleiben, vor allem dann nicht, wenn sich der Diskussionsprozess hinzieht. 

Was es natürlich auch braucht, ist das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten als Moderator. Die Erfahrung, aus der man die Gewissheit zieht, dass man zum richtigen Zeitpunkt mit der passenden Intervention der Gruppe hilft, sich der Lösung zu nähern. Das kann manchmal eine einfache Frage sein, die für einen Perspektivenwechsel sorgt. Das kann eine Geschichte, eine Metapher, ein Erlebns aus einem anderen Zusammenhang sein. Oder auch nur die Aufforderung eine "Denkpause" einzulegen. 

So wie ich schon häufiger erlebt habe, dass die Lösung für mich auf der Hand lag, aber es etwas dauerte, bis die Gruppe sie für sich entdecken konnte, so haben ich auch schon Situationen gehabt, wo ich beim besten Willen keinen eigenen Lösungsansatz hätte präsentieren können und dann einer aus der Gruppe kam, der mir selbst nie eingefallen wäre. So oder so - es lohnt sich, auf die Intelligenz der Gruppe zu vertrauen.