Kommunikation ist der Schlüssel

Heute am alten Elbtunnel. Eine Sicherheitskraft spricht einen Touristen, der im Aufzug die Maske abgenommen hat, an, am Ende beschimpfen sich beide lautstark. Ich höre zwei Sätze: "Ich habe wie jeder hier das Recht, in vernünftigem Ton angesprochen zu werden!" und "Ich habe Sie auf die Regeln hingewiesen und Sie sind sofort aggressiv geworden!" Der Rest sind Wiederholungen der beiden Aussagen, die sich nur graduell unterscheiden.

Was das mit nachbarschaftlichem Wohnen zu tun hat? Wann immer Menschen aufeinandertreffen und miteinander kommunizieren, ist das Risiko extrem hoch, dass die Kommunikation misslingt. Im Grunde ist es bemerkenswert, dass sie überhaupt funktioniert. Denn das Problem jeder Kommunikation ist, dass wir in der Regel davon ausgehen, dass das, was wir verstanden haben, genau das ist, was der andere gemeint hat. Daher vergewissern wir uns auch nur ganz selten, ob das von uns Verstandene wirklich das Gemeinte ist. Witziger Weise meist bei ganz schlichten Dingen wie zum Beispiel beim  Buchstabieren eines Namens. Da gehen wir auf Nummer sicher und wiederholen die Buchstabenfolge. Ober bei einer Telefon-Nummer. Wobei Zahlen alles andere als schwer zu verstehen sind und hinter dem Äußern einer Zahl selten mehr Absicht steckt als - na eben diese Zahl, und sonst nichts.

Aber schon bei ein wenig komplexeren Dingen hinterfragen wir das Verstandene selten. "Das Treppenhaus sieht ziemlich verdreckt aus." Wäre ja auch seltsam, wenn der Gesprächspartner dann antwortet: "Um sicher zu gehen, dass ich dich richtig verstanden habe, wiederhole ich mal: Du findest das Treppenhaus ziemlich schmutzig." Also kommt dann eher: "Ich kann mich nicht um alles kümmern." Oder: "Kein Wunder, wenn man die Kinder mit Dreckklumpen an den Schuhen da rauf und runter rennen lässt." Spätestens jetzt könnte man damit anfangen zu hinterfragen, worum es dem anderen eigentlich geht. Also die Frage nach dem Grund und dem Zweck des Satzes stellen: "Oh, du hast verstanden, dass ich dich dafür verantwortlich mache und fühlst dich ungerecht behandelt?"  Oder: "Du meinst, das liegt vor allen an den Kindern und siehst deren Eltern in der Verantwortung, hier für Abhilfe zu sorgen?"

Würde jemand tatsächlich so reagieren, könnte man ab diesem Moment anfangen, eine gemeinsame Wahrnehmung zu konstruieren. Nehmen wir die Sicherheitskraft am alten Elbtunnel. Sie spricht den Touristen an: "Im Aufzug gilt die Maskenpflicht, das können Sie auf den Schilden lesen. Setzen Sie die Maske bitte korrekt auf." Antwort: "Das ist mal wieder typische Schikane gegen Ausländer. Ich habe sie nur kurz abgesetzt, um Luft holen, es ist total stickig in dem Aufzug." Wäre die Sicherheitskraft wie die Servicekraft in der Telefonzentrale geschult, würde sie antworten: "Habe ich das richtig verstanden: Sie fühlen sich zu Unrecht beschuldigt, weil Sie bereit sind, die Maske zu tragen, sie aber nur kurz abgesetzt haben, weil Sie schlecht Luft bekommen haben?"

Schwups, wäre der Ärger weg, ein gegenseitiges Anbrüllen überflüssig. In unserem Projekt sind wir noch weit davon entfernt, in kniffligen Situationen so zu reagieren, dass wir grundsätzlich erst mal klären, was wir verstanden haben und ob wir damit richtig liegen. Und es gelingt auch noch längst nicht, dass wir immer dann, wenn wir uns über einen Nachbarn ärgern, diesen direkt ansprechen. Was ja die Voraussetzung dafür ist, überhaupt verstehen zu können, worum es dem anderen geht. Was ich aber schon beobachte: Wenn es knirscht in der Nachbarschaft, dann ist der direkte Weg zum anderen immer häufiger der erste Schritt. Was der erste Schritt zu einer gelingenden Kommunikation ist.