Hausordnung

Die Anfrage kam von einem anderen Wohnprojekt. "Wie sieht eure Hausordnung aus? Wir stehen kurz vor dem Einzug und überlegen, bestimmte Dinge jetzt schon festzulegen, bevor es Schwierigkeiten gibt. Meine Gruppe beschäftigt sich deshalb mit dem Entwurf einer Hausordnung, kommen aber nicht so recht weiter. Könnten wir vielleicht sogar eure Hausordnung bekommen?"

Konnten sie nicht, denn - wir haben keine Hausordnung. Zumindest gibt es kein Dokument, das diesen Namen trägt. "Aha", wird man da denken, "Ihr habt also doch eine Ordnung, nur steht sie nirgends geschrieben." Nein, stimmt so auch nicht. Oder nur zum Teil. Man merkt, es ist kompliziert mit den Ordnungen.

Hausordnungen enthalten Regeln des Zusammenlebens. Wer was wo darf beziehungsweise nicht darf. Es geht um Gebote und Verbote. Und in der Tat gibt es beides in dieser Form bei uns nicht. "Aber Ihr werdet auch bestimmte Regeln haben, die einzuhalten sind, oder?" Richtig, es gibt so etwas wie Regeln, wobei ich auch bei diesem Begriff vorsichtig bin. Regeln führen dazu, dass beim Übertreten derselbigen nach Konsequenzen gerufen wird. Kennen wir von unseren Kindern, oder? "Mama, der Leo hat in den Pool gepinkelt, das darf der nicht!" Wenn Mama jetzt nicht reagiert, heißt das Signal: Aha, die Regel ist eigentlich doch nicht so ernst gemeint. Will sagen: Regeln führen leider auch dazu, dass es zum "Anschwärzen" kommt. Was den Hausfrieden nachhaltig stört.

Deshalb würde ich bei uns eher von Empfehlungen sprechen. Zum Beispiel Empfehlungen zum Verhalten im Konfliktfall. Oder Empfehlungen zur Nutzung der Gemeinschaftsflächen. "Wo ist denn da der Unterschied?" könnten Sie fragen. "In beiden Fällen muss man doch reagieren, wenn sich jemand nicht an die Empfehlungen hält."

Mag sein, aber die etwas "sanftere" Umschreibung führt dazu, dass man nicht gleich auf die Regeln verweist, sondern eher das Gespräch über Lösungen sucht. Zumindest ist das mein Eindruck. Wenn jemand zum Beispiel eine große Kiste für die Auflagen der Gartenmöbel auf die Gemeinschaftsfläche stellt, ohne vorher die Gruppe zu fragen, ob das okay sei, denn ist das ein Verstoß gegen die Empfehlung zur Nutzung der Gemeinschaftsflächen. 

Es gibt in einem solchen Fall auch bei uns immer jemanden, den das stört und es zum Thema macht. Bevorzugt erst einmal mit dem Betreffenden selbst, und wenn das zu keiner Einigung führt, auch in der jeweiligen Gruppe oder sogar in der Gesamtgruppe. Und ja, dabei geht es dann auch um das Verständnis der "Regel" und den Umgang mit ihr, aber vor allem um die Lösung für das Problem, das der Verursacher hat, also z.B. keinen Platz für seine Gartenmöbel-Auflagen.

Wo denn diese Empfehlungen festgehalten werden? Tatsächlich finden sie sich in der Regel in irgendeinem Protokoll eines Treffens, bei dem sie als Reaktion auf ein Problem entstanden sind. Und da liegen sie dann schön formuliert herum, bis erneut ein Problem auftritt. Dann sagt jemand: "Hatten wir nicht mal geklärt, wie wir das handhaben wollen?" Oder er sucht die Stelle heraus und hält sie dem anderen unter die Nase. 

Im Falle der Empfehlungen zum Umgang mit Konflikten sind wir tatsächlich weiter gegangen und haben sie an verschiedenen Stellen ausgehängt. Als Prophylaxe. Oder Gedächtnisstütze. Was übrigens erst nach einer längeren Diskussion erfolgte. Auch übrigens eine interessante Geschichte.